Walter Stephan: Benediktinische Stätten in Deutschland
Wie ein funkelndes Lichtnetzwerk lebendiger Glaubenskommunikation durchzogen sie einst die Regionen unseres Landes, die Klöster der benediktinischen Ordensgemeinschaften. Allein Bernhard von Clairvaux gründete zu Lebzeiten so viele, dass man sich unwillkürlich im eigenen Umfeld umschaut, um die Spuren jener spirituellen Leuchttürme zu finden, deren Licht einst still und beharrlich das Leben der Mönche und Nonnen, aber auch der vielen, die mit ihnen in Kontakt standen, erhellte. Walter Stephan und seine 2015 verstorbene Frau Madeleine entdeckten 1980 bei der Vorbereitung einer Briefmarken-Ausstellung zum Benediktusjahr, wie nützlich eine solide Grundinformation über die benediktinischen Stätten in Deutschland wäre und gaben ab 1983 eine Handbuchreihe heraus, in der sie ihre immer neuen Entdeckungen alter Wirkungsorte von Menschen, die nach der Regel Benedikts lebten, beschrieben. Der vorliegende Band ist die zweite überarbeitete Auflage der vom Autor – beginnend im Alter von 96 Jahren und mit der Unterstützung seiner Familie in den Jahren 2016 bis 2020 – aktualisierten Gesamtausgabe. Sie bietet verlässliche Hinweise zu hunderten von Hotspots christlicher, näherhin benediktinischer Spiritualität, die zu entdecken lohnenswert ist. Das Buch ist mehr als ein Führer zu möglichen Reisen, sondern viel mehr ein Begleiter für eine Vertiefung in eine Spiritualität, die bis heute das Leben verwandelt.
EOS Verlag, St. Ottilien 2023, 664 S., ISBN 978-3-8306-8175-5, 49,95 €.

Bernhard Kirchgessner: beGeistert von Gott
Dass Predigten heutzutage kaum mehr Begeisterung auslösen, weiß jeder, der mit einiger Regelmäßigkeit Gottesdienste besucht. Die Ausnahme: wenn einer spricht, der etwas erlebt hat, der selbst begeistert ist und deshalb andere zu begeistern vermag. Glaube vermag dort zur Nachfolge zu verlocken, wo die ganz persönliche Stimme eines Menschen hörbar wird, der vom Geheimnis Gottes berührt wurde, der seine umarmende Liebe erlebt hat und dessen Herz unwillkürlich überfließt. Ein Mensch wie Bernhard. Dass Bernhard von Clairvaux‘ Predigten sogar dann faszinierten, wenn die Menschen seine Sprache nicht verstanden, macht deutlich, welch ein Feuer in diesem Mann brannte. Wie schön wäre es, wenn wir seine Stimme heute hören könnten, denkt manch einer. So auch Bernhard Kirchgessner, der sich seit vielen Jahren intensiv mit seinem Namenspatron beschäftigt und schon mehrere Bücher über ihn veröffentlicht hat. In seinem Buch „beGeistert von Gott“ gibt er Bernhard persönlich eine Stimme und lässt den mittelalterlichen Kirchenlehrer in einen Dialog mit einem Menschen unserer Zeit eintreten und ihn aus seinem Leben erzählen. Ein ebenso gewagtes wie in diesem Fall gelungenes Unterfangen. Denn der Autor, Priester und Künstlerseelsorger Bernhard Kirchgessner vermag Bernhard von Clairvaux deshalb eine Stimme zu geben, weil er zuhören, weil er beobachten kann und weil er gerne Neues lernt. Neues erfährt man auch in diesem Buch von Bernhard von Clairvaux, weil er einem so lebendig gegenübertritt, als hätte er ein Zeitreiseticket gebucht und uns einen Besuch abgestattet. Das hinterlässt Spuren und verlockt zur Nachfolge. Bücher wie dieses brauchen wir mehr! Denn dank ihrer Lektüre wird eine lebendige Spiritualität vermittelbar.
Bernardus Verlag, Aachen 2023, 86 S., ISBN 978-3810703781, 15,00 €.

Hannah Pick Goslar: Meine Freundin Anne Frank. Die Geschichte unserer Freundschaft und mein Leben nach dem Holocaust
Ich erhielt dieses Buch am 12. Oktober 2023, fünf Tage nach dem Beginn eines Krieges gegen Israel, den sich zu diesem Zeitpunkt niemand in diesem Ausmaß, in dieser menschenverachtenden und alle Gesetze selbst des Krieges verletzenden Grausamkeit hätte vorstellen können. Die Geschichte von Hannah zu lesen, die als kleines Kind, noch kaum verstehend, was da vor sich ging, in Berlin in der schönen Wohnung ihrer Eltern saß und zusah, wie ihr Vater Abschied von vielen seiner geliebten Bücher nahm und ihre Mutter den ebenso geliebten Flügel verkaufte, auf dem sie so viele Stunden wunderbar musiziert hatte, war der Beginn einer schmerzhaften Lektüre, mit der ich nicht aufhören konnte und wollte. Denn während ich las, wie Hannahs Welt langsam, aber sicher zerfiel, wie ihre Familie erst nach London emigrierte, wo ihr Vater bei Uni Lever eine Anstellung fand, die er wegen der vorgeschriebenen Arbeit am Sabbat als frommer Jude aber wieder aufgab, wie sie – wie so viele Juden – in die neutralen Niederlande gingen und sich dort mühsam – gemeinsam mit den vielen, die es ihnen gleichgetan hatten – ein neues Leben aufbauten, das Stück für Stück wieder zerbrach, sie in das relative Grauen von Westerborck und das unendliche Grauen von Bergen Belsen brachte, wie sie als Jugendliche und einzige Überlebende ihrer Familie mit ihrer kleinen Schwester in den Verlorenen Zug stieg und sich zurückkämpfte in die Stadt, die ihr zur Heimat geworden war, in die Schweiz zu Verwandten kam, unbeirrt am Traum ihres Vaters festhaltend nach Erez Israel auswanderte und dort ihre große Familie aufbaute und am Leben hielt – während ich all das las, starben in Israel Menschen wie sie und ihre Familie im Bombenhagel der Hamas. Dass Hannah Pick Goslar, die ihr ganzes Leben lang immer wieder ihre Geschichte erzählte, um genau dies zu verhindern, im letzten Jahr nach einem langen, erfüllten Leben, in dem sie ungeachtet des Grauens, das sie erlebt hatte, so viel Licht und Liebe verbreitet hatte, starb, erscheint als Gnade. Ob ihre Familie noch lebt, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, ist, dass jeder Einzelne von Ihnen, die Sie diese meine Rezension lesen, Hannahs Buch lesen, sich ihrem Schmerz und Schicksal mit offenem Herzen stellen und ihren Beitrag dafür tun sollten, dass Frieden herrscht in unserer Welt.
Penguin Verlag, München 2023, 383 S., ISBN 978-3-328-603000-9, 24,00 €.

Wolfgang Heckl: Die Welt der Technik in 100 Objekten. Gesprochen von Peter Veit
Museumsobjekte können spannende Geschichten erzählten. Dies gilt auch für die Exponate der Bestände des Deutschen Museums von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München. 100 dieser Objekte – wenn man genau nachzählt, sind es sogar einige mehr – werden in diesem Buch vorgestellt. Dabei wurden nicht irgendwelche ausgewählt, sondern diejenigen, die Meilensteine in der Geschichte der Technik präsentieren und die Besonderheiten jener Welt sichtbar machten, die man inzwischen Technosphäre nennt, jene geheimnisvolle Welt, die der Mensch im Anthropozän selbst geschaffen hat und die inzwischen mehr Spezies enthält, als angesichts des oft zerstörerischen Wirkens des Menschen in seiner Umwelt an lebendigen Arten übriggeblieben sind. Das Hörbuch reflektiert diese Umstände nicht nur, es zeigt auch auf, wie faszinierend die Welt der Technik ist, welch bahnbrechende Erfindungen, aber auch welche Fehlschläge sich auf den verschiedenen Entwicklungswegen finden lassen. Das Hörbuch gleicht nicht nur einer Zeitreise, es führt auch in die unendlichen Weiten und fernen Welten der Technik und ist deshalb in sich selbst ein Faszinosum. Uneingeschränkte Hörempfehlung!
Der Hörverlag, München 2022, 16h 4min., ASIN B09Z37BBPL, 9,95 €.

Sabine Zurmühl: Cosima Wagner. Ein widersprüchliches Leben
Geniale Musiker sind nicht zwangsläufig auch gute Ehemänner oder Väter. Ganz im Gegenteil – ihre absolute Konzentration auf den schöpferischen Prozess, ihr Hineingenommensein in dessen Unwägbarkeiten, das Ausgesetztsein machen sie oft unberechenbar, reizbar, mitunter schwer oder sogar unerträglich. Wer mit einem solchen Menschen lebt, es mit ihm aushält, hat, auch wenn wie bei Cosima und Richard Wagner wahre Liebe im Spiel ist, eine schwere Aufgabe. Cosima Wagners Leben ist, wenn man so will, ein Spiegelkabinett für die unterschiedlichen Erscheinungsformen eines Musikerlebens und das seiner Angehörigen. Da ist zunächst ihre Herkunft als uneheliche Tochter von Franz Liszt und Marie d´Agoult. Weder Vater noch Mutter unterhalten eine enge Beziehung zu ihr und Cosima bemüht sich zeitlebens um die Anerkennung und Liebe beider. Liszt ist ein über Jahre abwesender, uninteressierter Vater, dessen Präsenz sich in Forderungen hinsichtlich ihrer Ausbildung und ihres Wohlverhaltens erschöpft und dessen Kommen immer wieder neu vergeblich ersehnt wird. Dass die junge Frau – nach Berlin geschickt, um dort von der Witwe Bülow und ihrem als Dirigent brillierenden Sohn in die Gesellschaft eingeführt zu werden – in dem labilen jungen Musiker einen Mann findet, den sie durch ihre Liebe und Hingabe vor dem eigenen inneren Dunkel retten zu können glaubt, ist entwicklungspsychologisch verständlich. Hans von Bülow selbst hat in Cosima wohl vor allem die Nähe zu seinem verehrten Lehrer Liszt gesucht, als dessen Starschüler er galt, und der Vater war angesichts dessen, dass sein geschickt eingefädelter Plan aufgegangen ist, endlich einmal ganz und gar zufrieden mit seiner Tochter. Bald werden zwei Töchter geboren, Cosima bemüht sich nach Kräften um den herrischen, labilen, selbstbezogenen und offenkundig nicht an ihr persönlich interessierten Mann, arbeitet als Übersetzerin, schreibt für verschiedene Zeitschriften und pflegt, wie sie es gelernt hat, zahlreiche Kontakte, die sie zu einem immer größer und dichter werden Netzwerk verknüpft. Einer derjenigen, die zunehmend Teil dieses Netzwerkes sind, ist Richard Wagner, dem sie bereits in Paris einmal begegnet ist – damals als stille Zuhörerin – und mit dem es auch angesichts der Zusammenarbeit Hans von Bülows mit Wagner nun zu häufigeren auch persönlichen Treffen kommt. Die Liebe beider scheint sowohl von Richard als auch von Cosima gleichermaßen als unmöglich und zwangsläufig wahrgenommen worden zu sein und so kommt es zu jener schwierigen, beinahe unerträglichen Dreicksbeziehung, die schließlich mit jenem großen Skandal endet, der es verursacht, dass Cosima sich für ihre große Liebe und gegen ihren Ehemann entscheidet. Für sie selbst resultiert daraus eine tief empfundene Schuld, wenngleich auch Hans von Bülow wohlgesonne Menschen nicht behauptet haben, dass er Willens oder in der Lage gewesen wäre, Cosima glücklich zu machen. Dennoch lebt die katholisch erzogene und tief spirituelle Frau bewusst mit ihrer Schuld und empfindet in der Folge alles, was sie ungeachtet der Liebe, die er ihr schenkt, von Richard Wagner zugemutet wird, als gerechte Strafe dafür, dass sie ihrem Eheversprechen untreu geworden ist. Zugleich entfaltet sich zwischen Richard und Cosima nicht nur eine lebenslange, immer wieder neu fantasievoll inszenierte und gefeierte Liebesgeschichte, sondern auch eine kreative Arbeitsbeziehung, in der schließlich jenes die Zeiten überdauernde Werk entsteht, das in Bayreuth bis heute lebendig ist. Gerade weil Cosima Wagner im Leben von Franz Liszt, Hans von Bülow und Richard Wagner eine Rolle gespielt hat – auch wenn es bei ersterem eine Nebenrolle, beim zweiten eine tragische und bei letzterem eine Hauptrolle war, ist sie für Biografen gleichermaßen wie für Musikhistoriker von immensem Interesse. Zugleich besteht bei einer Biografie über diese faszinierende Frau eine enorme Gefahr, in den vielfältigen Kämpfen, die sich rund um sie und mit ihr entfaltet haben, Stellung zu beziehen und ihr Leben von daher zu beschreiben. Genau dies – und das macht diese Biografie so einzigartig – tut Sabine Zurmühl nicht. Sie bedient keines der gängigen Cosima-Klischees, sie betreibt vielmehr sorgfältiges Quellenstudium, hat sich ein enormes Wissen über Alltag, Lebenswirklichkeit und Selbstwahrnehmung dieser bemerkenswerten Frau angelesen und lässt sie wie nur wenige Biografen immer wieder ausführlich selbst zu Wort kommen. Aus diesem respektvollen Umgang ist eine Biografie entstanden, die nicht nur enorm faktenreich ist und dabei vieles bietet, was auch für die Wagner Forschung neu ist. Es wird hier auch ein Lebenswerk gezeichnet, das berührt und fasziniert. Denn Cosima Wagner wird ebenso wie die Männer, mit denen sie ein Leben lang in Beziehung stand, weder dämonisiert noch glorifiziert. Ihr Wesen, ihr Wirken, ihre Stärken und Schwächen werden mit Respekt und Wahrhaftigkeit geschildert. So entsteht anstelle einer wertenden eine beschreibende und vor allem achtungsvolle Biografie. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung wird gerne gegeben.
Böhlau Verlag, Köln 2022, 359 S., ISBN 978-3-205-21501-1, 40,00 €.

Hanns-Gregor Nissing: Denker und Dichter Thomas von Aquin. Eine Einführung in sein Leben und sein Werk
Thomas von Aquin ist in mehrfacher Hinsicht ein Schwergewicht. Der große scholastische Denker und Kirchenvater ist eine Jahrhundertbegabung als Lehrer, als tiefenscharf formulierender Philosoph und Theologe und man benötigt deutlich mehr Zeit, intellektuell in sein facettenreiches Werk einzutauchen, als er selbst brauchte, um es zu schreiben. Dass Thomas bei all dem noch, wie es sich für einen Dominikaner gehörte, zu Fuß quer durch Europa reiste und vielfältige Kontakte pflegte, macht ihn zu einer faszinierenden Persönlichkeit und zu einem lohnenden Forschungsprojekt. Aber wer zu Biografien oder Monografien über Thomas greift, gibt nicht selten nach wenigen Seiten auf oder empfindet die Lektüre zumindest als herausfordernd oder gar beschwerlich. Grund dafür ist die in der Regel monopole Orientierung an Thomas als Theologe oder als Philosoph. Aber wer sich dem Aquinaten auf diese Weise nähert, wird immer nur einen Teil seines vielseitigen Oeuvres vermitteln können und den Leser am Ende mit einem Verlusterlebnis zurücklassen. Nicht so Hanns-Gregor Nissing. Denn er wählte einen Ansatz, der Thomas gleich in mehrfacher Hinsicht gerecht zu werden vermag. Der Grund: Nissing setzt dort an, wo Thomas im teleologischen Sinne hinstrebte und ankam. Denn er ordnet seine Einführung in Leben und Werk des Aquinaten, der ihm schon viele Jahre zugleich geistig-geistlicher Begleiter und Studienobjekt ist, gemäß dessen Hymnus Adoro te devote. Die Geschichte ist bekannt. Thomas, zu dessen Aufgaben nicht nur das Forschen, Lehren, die Diplomatie, sondern auch das Verfassen liturgischer Texte gehörte, hatte am Ende seines Lebens eine Schau, in deren Licht er sein Tun bewertete. Die Gebete, die er schrieb, erweisen sich aber nicht nur als Quelle, die einleuchtend macht, was Thomas wirklich wichtig war, sie erweisen sich, wie der Hymnus Adoro te devote, auch als Schlüssel zum Werk des großen Kirchenlehrers. Dass Nissing diesen Schlüssel als solchen wahrnahm und in aufschließender Weise einsetzt, um dessen Denken und Wirken als Leuchtturm für unsere Zeit sichtbar zu machen, ist bemerkenswert und verdienstvoll. Er macht in seiner Monografie wahrnehmbar, was das Lebensthema des Thomas ist: die Wahrheit, der er sich in der ursprünglichen Textfassung des Hymnus, Adoro te devote latenz veritas, betend nähert, die er denkerisch durchdringt und deren Verkündigung er sein Leben widmet. Wie dieses Leben sich von seiner Berufung zum von seiner Familie gegen erhebliche Widerstände ertrotzten dominikanischen Ordensleben über das Mendikanten- und Magisterdasein entfaltete, das er in der Nachfolge der Apostel lebte, aus welche Quellen er seine Erkenntnis schöpfte, wie er als Dichter und Theologe mit dem Zentralthema der Eucharistie umging, wie er die Kreatürlichkeit als „Notenschlüssel“ für das geheimnisvolle Netzwerk von Schöpfung, Sünde und Erlösung entdeckte und vermittelte und wie sich das Verständnis der Persönlichkeit des Thomas von der Ewigen Schau her erlangen lässt, all dies entfaltet Nissing in dem vorliegenden Buch in luzider Sprache und mit menschlicher Wärme. Beides bewirkt, dass der heilige Thomas von Aquin dem Leser auf eine bislang vielleicht noch nicht erlebte Weise nahekommt, die zu erleben man vielen wünscht.
Pneuma Verlag, München 2022, 488 S., ISBN 978-3-942013-55-0, 29,95 €.

S. E. Ioan Selejan, Metropolit des Banats, S. E. József-Csaba Pál, Bischof von Temeswar/Timisoara, Hermann Schoenauer, Jürgen Henkel (Hrsg.): Christentum und kirchliches
Leben im Banat in Geschichte und Gegenwart. Cretinism’s si vista bisericeasca din Banat în recut si în prezent
Es gibt Regionen und Orte in der Welt, die in einzigartiger Weise Hotspots für die Wahrnehmung von Entwicklungen sind. Wer derzeit den Zerfall der europäischen Werte und der Kultur unseres Kontinents studieren will, muss den Blick nur ins Vereinigte Königreich richten. Wer hingegen die verbindende Kraft des Christentums, seine Tiefenwirkung und perspektivische Relevanz erkennen möchte, kann und sollte dies im Banat tun. Denn dieser europäische Kulturraum in Rumänien steht dank seiner komplexen Geschichte heute beispielhaft dafür, wie Ostkirche und Westkirche, Orthodoxie, Katholizismus und Prostestantismus sich auf harmonische Weise begegnen und gemeinsam für eine Kultur des inneren Friedens und der aus einer heilenden und heiligenden Bindung erwachsenen Freiheit wirken können. Der vorliegende, vom Metropoliten des Banat, Ioan Selejan, dem Bischof von Temeswar Józef-Csaba Pál, dem Vorsitzenden der seit fünf Jahren bestehenden Gesellschaft „Ex Fide lux“, Hermann Schoenauer und dem evangelischen Pfarrer und Herausgeber der Deutsch-Rumänischen theologischen Buchreihe, Jürgen Henkel, herausgegebene Band lädt in elf facettenreichen Beiträgen in diesen hochinteressanten und für das Verständnis europäischer und der Geschichte des Christentums wichtigen Kulturraum ein, der mit Temeswar als europäischer Kulturhauptstadt 2023 im Fokus des allgemeinen Interesses stehen wird. In zwei Teilen entfaltet er das Phänomen Banat zunächst im Hinblick auf die Landeskunde, die Geschichte und Gegenwart dieser Region und beleuchtet dann die Geschichte der verschiedenen Konfessionen und ihr Wirken. Dass das Banat eine für das Verständnis Europas so aufschlussreiche Region ist, erhellt aus seiner Multinationalität und zugleich der Befähigung der dort lebenden Menschen zur Gemeinschaft miteinander. Auch sie hat tiefe Wurzeln. Die Prägung durch das im heutigen Rumänien wirkmächtige Römische Reich ist in verschiedenen Spuren nachvollziehbar. Da ist zum einen die Sprache des Landes, in die versierte Lateinkenner verstehend einzutauchen vermögen. Ebenso sichtbar ist die römische Kultur nach wie vor im strukturellen Bereich und in der baulichen Kultur wie etwa der auf dem Cover zu sehenden Säule vor der Metropolitankirche von Temeswar, auf der die römische Wölfin abgebildet ist. Wie stark die Prägung durch die Banater Schwaben in Geschichte und Kultur ist, erhellen die vielfältigen deutschsprachigen Inseln ebenso wie die Einflüsse auf das Bildungssystem und die Alltagskultur. Die Mischung aus diesen tief in die Geschichte zurückreichenden Einflüssen ist der Wurzelgrund, auf dem der Widerstand gegen die kommunistische Diktatur wachsen konnte. Er ist seinerseits durchtränkt von der Geschichte des Glaubens, der in Rumänien keine säkularisierte Neben- oder Privatsache ist, sondern ungeachtet aller auch hier sichtbaren Verfallserscheinungen der Moderne in dieser Hinsicht eine deutlich ausgeprägtere Lebendigkeit und Vielfalt aufweist als hierzulande. Das Wissen um das je Eigene des Glaubens ist im Banat wie überall die Voraussetzung für eine gelingende Begegnung und ein gutes Miteinander. Denn nur in der im täglichen Leben spürbaren Kenntnis dessen, was den Einzelnen und die Gemeinschaft prägt, kann ein Austausch stattfinden, der nicht auf der Oberfläche bleibt, sondern eine in versöhnter Verschiedenheit praktizierte und zugleich auf das gemeinsame Ziel ausgerichtete Weggemeinschaft ermöglicht. Zugleich machen die Beiträge der Vertreter aller Konfessionen den Primat der Spiritualität deutlich. Auch dort, wo es um die Schilderung der Ausprägung von Strukturen geht, bleibt niemals unerwähnt, wem sie dienen und was das Ergebnis allen irdischen Wirkens ist: die volle Gemeinschaft mit Gott und untereinander. In diesem Sinne ist der Band nicht nur eine historisch lehrreiche Lektüre. Sie rückt vielmehr zurecht, was hierzulande ins Ungleichgewicht geraten ist und kann deshalb als wohltuendes Korrektiv wirken, ein Licht auf Probleme der Kirchen in Deutschland werfen und bei deren Lösung bislang eher wenig begangene Wege aufzeigen. Diese Wirkung ist eine, die man von jeder Beschäftigung mit der Geschichte erhofft. Deshalb ist dieser 12. Band wie die anderen in der Reihe der Deutsch-Rumänischen Theologischen Bibliothek uneingeschränkt lesenswert.
Schiller Verlag, Bonn – Sibiu, 2022, 355 S., ISBN 978-3-949583-06-3, 24,90 €.

Fontes Christiani: Jacobus de Voragine: Legenda Aurea. Goldene Legende. Lateinisch Deutsch
Das ist doch bloß eine Legende, sagen wir und meinen: Das braucht man nicht ernst zu nehmen, hier geht es nur um eine erfundene Geschichte. Aber weit gefehlt. Denn der Begriff Legende bezeichnete in früheren Zeiten, wie Bruno W. Häuptling in seinem kenntnisreichen Vorwort zur kompletten deutsch-lateinischen Ausgabe der berühmten Legenda Aurea ausführt, ursprünglich einfach nur „das Gelesene“. Ob das, was man über den Heiligen an seinem jeweiligen Gedenktag liest, historisch korrekt ist oder eine Erinnerung des Herzens wiedergibt, ist eine Folgefrage. Sie wurde aber von Jakobus von Voragine durchaus gestellt. Tatsächlich legte der Dominikaner und spätere Bischof von Genua Wert auf nachprüfbare Fakten, wie man beispielsweise an der von ihm verfassten Chronik seiner Bischofsstadt sehen kann. Auch bei der von ihm zusammengestellten Sammlung der Lebensgeschichten der Heiligen ging es ihm darum, möglichst genau zusammenzutragen, was man über deren Leben und Sterben in Erfahrung bringen konnte. Die Quellenlage, der er sich bei der gewaltigen Aufgabe einer Gesamtschau auf das Leben der damals bekannten Heiligen gegenübersah, war naturgemäß sehr unterschiedlich. Jakobus sieht sich gleichermaßen als Kompilator, der vorliegende Texte zusammenträgt und in eine einheitliche Form bringt, wie als Autor, wo er selbst recherchiert und mit eigenen Worten die Ergebnisse zusammenfasst. Dass er die gewaltige Aufgabe, die Legenda Aurea zu verfassen, im Auftrag seines Ordens unternahm, zeigt, dass die Dominikaner im 13. Jahrhundert ein ausgeprägtes Interesse an lebendigen Beispielen für ein im teleologischen Sinne zielführendes Leben hatten und diese für ihre Predigttätigkeit benötigten. Andernfalls hätten sie keine Kapazitäten für die jahrelangen Vorarbeiten freigestellt, die benötigt wurden, um die auch in der vorliegenden, sorgfältig nach den Quellen gestalteten Edition fast 2500 Seiten umfassende Grundlage ihrer Verkündigung zu erarbeiten. Dass man auf die Heiligen setzte, hängt auch damit zusammen, dass im 13. Jahrhundert ein erhebliches Verkündigungsdefizit und Unklarheit über den Glauben bestanden. Das Wissen um ihn war vielfach nebelhaft, sodass häretische Gruppen wie die Katharer es leicht hatten, dort, wo sie mit einem guten Gemeinschaftsleben, ihrem Programm „gleiche Macht für alle“, Frauenpriestertum und eine oft extreme, aber in solidarische Wohltätigkeit umgesetzte Askese überzeugten. Die von Jakobus von Voragine redigierte und verfasste Sammlung der Lebensgeschichten jener Männer und Frauen, die den Glauben auf je eigene Weise beispielhaft gelebt hatten, bildete also zum einen eine Sammlung von Vorbildern, nach denen die Gläubigen sich konkret richten konnten, und zum anderen die Grundlage für die Predigten, die den Dominikanern so sehr am Herzen lagen, weil ihnen die Verantwortung der Priester und Bischöfe für die Verkündigung der gesunden Lehre, sei es gelegen oder ungelegen, bewusst war. Die starke Rezeption der Legenda Aurea, die nicht nur von Priestern, sondern auch von Laien und in den Klöstern gelesen wurde und deren Rezeption sich in Bildwerken, Statuen, Liedern und Gedichten zeigt, macht deutlich, dass die Sehnsucht nach Beispielen gelingenden Lebens groß war. Die Geschichten wurden nicht nur selbst gelesen und in Konventen, Schulen und Familien vorgetragen, sie wurden auch mündlich überliefert und bildeten bald eine eigene Erzählkultur. Deren Spuren kann man in den vielen unterschiedlichen Ausgaben der „Heiligenleben“ verfolgen, die noch bis vor 50 Jahren ganz selbstverständlich in den Bücherregalen katholischer Familien zu finden waren und als Fundgruben für stärkende Lebensbegleiter genutzt und immer wieder neu zur Hand genommen wurden. Mit der dreibändigen durchgesehenen Neuausgabe der Legenda Aurea liegt nun eine vollständige zweisprachige Edition vor, die zur Wiederentdeckung dieses Schatzes einlädt, den so viele in zerbrechlichen Gefäßen tragen und der doch seine Leuchtkraft nie verlieren wird. Neben den Heiligenviten und den Erzählungen über die Wunder, die sich um sie ereigneten, enthält die Legenda Aurea auch weitere wichtige Informationen über in Vergessenheit geratene, für die Erneuerung der Kirche aber wichtige Traditionen wie beispielsweise das Quatemberfasten, das im Rhythmus des Jahreskreises jeweils auf die Übergänge zwischen den Jahreszeiten ausgerichtet ist und so das sich Einschwingen in das Kirchenjahr vertieft. Die Einführung in das dreibändige Werk, die einen Überblick über die Forschung zur Legenda Aurea gibt, der ausführliche Kommentar und die Quellennachweise machen das dreibändige Werk zu einer unerlässlichen Grundlage für die Beschäftigung mit dem Leben jener lichten Gefährten, die unsichtbar, aber wirkmächtig um uns sind, und hilft nachhaltig dabei, sie besser wahrzunehmen und mit ihnen gemeinsam am Reich Gottes zu arbeiten.
Herder Verlag, Freiburg 2022, 3 Bände, 2472 S., ISBN 978-3-451-39322-8, 98,00 €.

Tom Holland: Dominion: The Making of the Western Mind
Tom Holland ist ein Historiker, dem der universitäre Elfenbeinturm – er studierte in Cambridge, schloss sein Studium mit doppelter Auszeichnung ab und ging nach Oxford, um zu promovieren – einfach zu eng und zu langweilig wurde. Dass diese Langeweile keinesfalls das Sujet, sondern vielmehr den Umgang mit der Materie betrifft, erkennt man unschwer an den allesamt erfolgreichen Büchern des Autors, der zu einem der stimmkräftigsten Vertreter der Geschichtswissenschaft geworden ist und das Wissen um die Vergangenheit populär gemacht hat. Sein neues Buch widmet sich der unterschätzten Prägekraft des Christentums für die Entwicklung der westlichen Welt. Amüsant, faktenreich und mit Blick für die tiefenwirksame Performativität des Glaubens, beschreibt Holland, wie durchgreifend der Glaube an Jesus Christus die Menschen und durch sie die Welt veränderte und wie sehr diese Kraft heute noch wirksam ist. Letzteres mag einen in einer je länger mehr und mehr als postchristlich empfundenen Welt erstaunen. Tatsächlich aber ist auch nach einer gründlichen Aufklärung und einer ebenso sorgfältigen Entzauberung der Welt das Geheimnis des Glaubens immer noch in Vielem und in vielen der Motor, der die Handlungsbewegungen bestimmt. Auch Skeptiker, Zweifler oder Agnostiker handeln – oft unwissend – instinktiv nach den Grundmustern, die die Jahrhunderte lebendigen Glaubens ihrer Vorfahren in ihnen geprägt haben. Diese Spuren zu kennen ist für diejenigen, die immer noch oder wieder neu nach dem Ziel und Beispiel Jesu Christi handeln, tröstlich, für alle anderen erhellend. Natürlich steht Holland dem Wirken der Christen nicht unkritisch gegenüber. Denn sie sind, wie Papst Franziskus richtig festgestellt hat, allesamt Sünder und das merkt man ihren Taten leider auch immer wieder an. Sie sind aber eben auch Menschen, die auf ein ewiges, unwandelbares, vor allem aber leuchtendes Ziel zugehen, für das es sich zu leben und zu sterben lohnt und in dessen Licht jede bereute Sünde aus Gnade in Liebe verwandelt wird.
Little Brown Book Group 2020, 753 S., ISBN 978-0-349141207, 10,99 €.

Daniel Mendelssohn: Eine Odyssee. Mein Vater, ein Epos und ich
Daniel Mendelssohns neues Werk ist ein ganz besonderes, hinreißend menschliches, fachlich informatives, lebenskluges und deshalb auch spirituell nahrhaftes Buch über ein uraltes griechisches Epos. Die Odyssee hat, was ihre Rezeptionsgeschichte angeht, ein ganz ähnliches Schicksal erlitten, wie viele große erzählerische Werke. Jahrhundertelang wurde sie einfach als das gelesen, vorgetragen oder frei nacherzählt, was sie ist: der lange Nachhauseweg eines Menschen, der von so vielem von seinem wahren Ziel ablenkt wird. Dann aber ging es plötzlich viel mehr darum, wer wann welchen Teil geschrieben hat, ob Homer einer oder viele ist. Daniel Mendelssohn, Professor für Altphilologie, war sich der Rezeptionsgeschichte der Odyssee bewusst und wollte das, was er selbst über dieses Epos gelernt hatte, in einem Seminar mit seinen Studenten teilen. Als sein Vater ihn fragte, ob er an diesem Seminar teilnehmen dürfe, glaubte Daniel Mendelssohn zu wissen, warum. Aber er hatte nicht die geringste Ahnung, zu welcher Reise er in diesem Augenblick ja sagte. Sein Vater brachte mit seinen Beiträgen nicht nur den Seminarablauf gehörig durcheinander, er verwirrte auch seinen professoralen Sohn. Denn er hinterfragte gnadenlos vieles, was dem Altphilologen selbstverständlich erschien. Und er traf dabei, was noch mehr war, einen Nerv bei den Studenten, die zwar willens gewesen waren, die ihnen vorgelegten Deutungen zu übernehmen, sich durch die stetigen, freundlichen, aber hartnäckigen Provokationen des sehr viel älteren Mannes, der die Odyssee nicht mit den Augen des Sprachwissenschaftlers, sondern vielmehr mit Lebenserfahrung und -klugheit las, zu eigenem Mit- und Weiterdenken verlocken ließen. Und so wird die Odyssee auf einmal von einer alten zu einer aktuellen Geschichte. Einer, die diejenigen, die sie lesen, direkt angeht, einer, von der man sagen kann: de te fabula narratur.
Mendelssohns Buch spiegelt genau diesen Prozess. Fein miteinander verwoben schildert es die eigene Auseinandersetzung mit seinem Vater, den Fortgang des Seminares und die Reise auf den Spuren des Odysseus, die Vater und Sohn im Anschluss an die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Werk, die sukzessive immer mehr zu einer ganz persönlichen wird, unternehmen. Dass man bei der stets spannenden, oft berührenden Lektüre eine Menge über die Feinheiten der griechischen Sprache, die Begeisterung für alte Sprachen überhaupt, über den Aufbau und die Dramaturgie der Odyssee erfährt, ist ein Teil der Faszination, die dieses Buch auslöst. Der andere, entscheidende Teil aber ist der persönliche. Der Leser lernt in den ineinander gespiegelten Lebensgeschichten der Familie Mendelssohn, des Odysseus, Telemachs, Penelopes und all der anderen Griechen, dass es Geschichten gibt, die mehr sind also solche, die das Leben schrieb. Es sind vielmehr Erzählungen, die Perspektiven vermitteln, nicht bei der oberflächlichen Deutung des Lebens stehen bleiben, sondern teleologisch konzipiert sind. Durch die Lektüre von Mendelssohns Buch kann man ganz buchstäblich neu lesen lernen.  
Siedler Verlag, München 2019, 349 S., ISBN 978-3-8275-0063-2, 26,00 €.

Christina Gregorin, Norbert Heyl: Ketzerisches Venedig. Zwischen Reformation und Inquisition
Dass die römische Inquisition Ketzer, zu denen die gestrengen Glaubenshüter auch jene Abweichler zählten, die sich selbst zunächst Neugläubige und dann Protestanten, Lutheraner oder Evangelische nannten, wird jedem einleuchten. Das heißt aber noch lange nicht, dass es nicht auch für diese sich langsam aber sicher neu formierende Konfession keine Lücken im Gesetz oder Orte gegeben hätte, an denen man sie stillschweigend duldete. Wie so oft lohnt es sich auch an dieser Stelle, der Spur des Geldes zu folgen, will man der Sache auf die Spur kommen. Am Beispiel Venedigs, jener großartigen Handelsstadt, in der die Kaufleute schon immer Pragmatismus über Dogmatismus setzten, gelingt dies besonders gut. Zumal, wenn man, wie die Autorin dieses schön aufgemachten und mit den herrlichen Fotos von Norbert Heyl auch als Bildband nutzbaren Buches, als Stadtführerin diese schöne Stadt in- und auswendig kennt. Gregorin stellt auf 126 Seiten jene Plätze vor, an denen Protestanten vor Verfolgung sicher waren, weil die strengen Kontrolleure einfach immer in die andere Richtung sahen, wo sie ihre Sicht des Evangeliums verkünden, Gottesdienste feiern und die nachfolgenden Generationen unterweisen konnten. Kleine Inseln der Glaubensfreiheit, an die zu erinnern gerade heute wichtig ist. Ein schönes, lesenswertes Buch für alle, die nach Venedig reisen wollen, sei es nun mit dem Kopf oder mit dem ganzen Körper.
Claudius Verlag, München 2018, 126 S., ISBN 978-3-532628157, 20,00 €.

Elisabeth Schmierer: Chronik der Kirchenmusik in zwei Bänden
Kaum ein Gebiet der Musik ist so facettenreich wie das der Kirchenmusik, die je nach Herkunftsort und Zeit ganz unterschiedliche, ja sogar gegensätzliche Ausprägungen annehmen kann. Wer einen chronologischen Überblick über die jeweilige Klanggestalt der Liturgie gewinnen möchte, findet in den beiden Teilbänden „Chronik der Kirchenmusik“ nun ein sorgfältig gestaltetes, übersichtliches und in seinem Informationsgehalt verlässliches Instrumentarium. Die Bände sind Teil der siebenbändigen Enzyklopädie der Kirchenmusik, die die Bereiche Geschichte der Kirchenmusik, Zentren der Kirchenmusik, Der Kirchenmusiker, Der Gottesdienst und seine Musik, Kirchenmusik in Kunst und Architektur und Lexikon der Kirchenmusik umfasst. In der Chronik findet man naturgemäß nach Jahrhunderten und Jahren geordnete Kurzinformationen, aber auch sogenannte Kalenderblätter, die den Leser ausführlicher über einzelne Werke oder kirchenmusikalische Entwicklungen in Kenntnis setzen. Der chronologische Teil ist in die Bereiche Kirchengeschichte, Kultur und Wissenschaft, Musikgeschichte und Kirchenmusikgeschichte untergliedert, sodass die Informationen zur Kirchenmusik sorgfältig kontextualisiert und dadurch besser deutbar sind.
Laaber Verlag, Laaber 2018, 608 S., ISBN 978-3-890078052, 198,00 €.

Franz Kohlschein und Werner Zeißner: Gottesdienst im Bamberger Dom zwischen Barock und Aufklärung. Die Handschrift des Ordinarius L des Subkustos Johann Graff von 1730 als Edition mit Kommentar
Es sind Bücher, die für Ordnung sorgen. Die Liber Ordinarii zeichneten alles auf, was man für einen guten und geordneten Ablauf der Liturgie wissen musste. Deshalb sind sie wertvolle Zeitzeugnisse für gottesdienstliche Feiern vergangener Epochen. Dies gilt auch für die im vorliegenden, sorgfältig gestalteten Band edierte Gottesdienstordnung aus dem 18. Jahrhundert. Zugleich garantierten die Libri Ordinarii die Kontinuität der gottesdienstlichen Feiern, denn an ihnen konnte man sich bei Wechseln im Personal orientieren und so sicherstellen, dass bewährte Feierformen auch dann weiter zelebriert werden konnten, wenn ein anderer Kleriker die Leitung der Liturgie übernahm oder ein neuer Kustos den Gottesdienst vorbereitete.  Dass der Liber Ordinarius des Subkustos Johann Graff von 1730 als neunter Band in den von Andreas Hölscher herausgegebenen Studien zur Bamberger Bistumsgeschichte erscheint, verdeutlich zugleich auch die kulturgeschichtliche Relevanz der Quelle. Denn Gottesdienste waren im 18. Jahrhundert kein isoliertes Ereignis kleinerer gesellschaftlicher Gruppen, sondern zentrale Feiern der christlichen Bürgerschaft, an deren Form deren Selbstverständnis ablesbar ist. Letzteres spiegelt sich vor allem in den regionalen Besonderheiten, die den in die gesamtkirchliche Ordnung eingebetteten Feierformen gewissermaßen ihre persönliche Farbe geben. Die Erforschung der Libri Ordinarii ist in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus wissenschaftlichen Interesses getreten. Mit der vorliegenden Edition bekommt auch die Stimme der Kirche Bambergs im 18. Jahrhundert die ihr gebührende konturierte Stimme.
Michael Imhof Verlag, Bamberg 2018, 687 S., ISBN 978-3-7319-0299-7, 79,00 €.

Gaelle Rosendahl u. a.: Rom lebt. Mit dem Handy in die Römerzeit
Dass das stille Örtchen im alten Rom keineswegs ein Ort der Ruhe war, sondern vielmehr bis zu 80 Personen nebeneinander ihre Geschäfte verrichteten, man das Essen nicht im Sitzen, sondern eher im Liegen zu sich nahm, sofern man nicht eine der vielen Garküchen aufsuchte und was alles nötig war, damit der Alltag funktionierte, erfährt man in dem kleinen, schön illustrierten und mit kurzen, flüssig geschriebenen Texten versehenen Band über den Alltag der Römerzeit. Die lebendig wirkenden Bilder sind in einer speziellen 3-D Technik gestaltet und werden durch Fotografien originaler Fundstücke ergänzt. Wer das Büchlein aufschlägt, erlebt keine langweilige Geschichtsstunde, sondern taucht vielmehr direkt in den Trubel der antiken Hauptstadt eines Weltreiches ein. Empfehlenswert!
Nünnerich-Asmus Verlag, Mainz 2017, 48 S., ISBN 978-3-945751-78-7, 9,90 €.

Alexander Rudow, Anja Stiller: Das römische Erbe
Dass die alten Römer unsere heutige Welt mitgeprägt haben, wird niemand bestreiten, der seinen Geschichtsunterricht nicht komplett verschlafen hat. Aber in welcher Weise und auf welchen Gebieten dieser Einfluss bis heute sichtbar ist, ist deshalb noch lange nicht allen klar. Deshalb ist es gut, dass es das flüssig geschriebene, faktenreiche und lesenswerte Buch von Alexander Rudow und Anja Stiller gibt. Sie geben einen guten Einblick in das römische Alltagsleben. Der Leser erfährt beispielsweise, wie es in den Mietwohnungsblöcken aussah, dass die sanitären Verhältnisse lange nicht so gut waren, wie der Ruf der Römer als thermenverwöhnte Saubermänner nahelegt. Die Autoren beschreiben, dass und wie die Römer bereits lange vor den Tempelrittern einen bargeldlosen Zahlungsverkehr abwickelten und warum sie für die Abholzung weiter Teile des Mittelmeerraumes verantwortlich sind. Natürlich gibt es außer den genannten noch zahlreiche weitere Einzelheiten – vor allem, was das Rechtswesen angeht, dessen Einfluss sich bis in unsere Zeit erstreckt. Aber um die kennenzulernen, sollten Sie das Buch lieber selbst lesen. Es lohnt sich!
Regionalia Verlag, Rheinbach 2017, 159 S., ISBN 978-3-95540-266-2, 7,95 €.

Roland Weber: Jesus, Römer, Christentum
Roland Weber ist einer jener Radikalkritiker, die die Historizität der Evangelien bezweifeln. Inspiriert von Joseph Atwills „Das Messias-Rätsel“ entfaltet er auch in seinem zweiten Buch zum Thema seine Theorie, dass die Geschichten über das Leben des Jesus von Nazareth von Flavius Josephus erfunden worden seien. Den Grund für die Mühe des jüdischen Historikers sieht der Autor in dem Wunsch, die Juden ihrem Glauben an den Messias zu entfremden, der sie weniger geneigt machte, sich den Wünschen und Vorstellungen des Kaisers zu beugen. Flavius, so Weber, erhoffte sich so eine Befriedung seines Heimatlandes und ungestörte Möglichkeiten für den von ihm verehrten Kaiser, Steuern einzunehmen. Gründlich elaboriert der Autor seine These und listet alle Bibelstellen auf, die in seinem Sinne deutbar sind. Natürlich gibt es viele Kritiker dieses Ansatzes. Sie argumentieren u.a. damit, dass die Aktion, wenn sie denn so vonstatten gegangen wäre, wie der Autor glaubt, ein grandioser Misserfolg gewesen wäre, denn die Christen waren zur Zeit des jüdischen Historikers eine unbedeutende Sekte. Aber wie man sich gut vorstellen kann, hat Weber auch hier eine Menge möglicher Erklärungen anzubieten. Wer sich für die Innenseite der Radikalkritik interessiert, wird sich diesen neuen Weber also nicht entgehen lassen.
BoD, 2017, 269 S., ISBN 978-3-744-8732-84, 16,80 €.

Ulrich Johannes Schneider: Textkünste. Buchrevolution um 1500
Dass die Lesegewohnheiten sich mit der Veränderung der Medien wandeln, kann man heute allenthalben beobachten. Doch was bedeutete die Buchrevolution in der Zeit der Erfindung des Buchdrucks um 1500 für das Lesen? Zunächst einmal wurde es sehr viel billiger, ja sogar für fast jeden erschwinglich. Denn die Herstellung per Druck ermöglichte die Produktion einer großen Menge kostengünstiger Kopien und ging viel schneller vonstatten als das mühsame Abschreiben per Hand auf Pergament. Doch auch für die Standards der Texterstellung hatte der Buchdruck Folgen. Denn nun prägten Satzspiegel, Kolumnentitel, Seitenzahlen und die Möglichkeit zu Randnotizen auf einmal die Lesegewohnheiten. Wie all diese Formalkriterien entwickelt wurden, was sie beinhalten und welche Folgen ihre Einführung für die Buchgestaltung und das Lesen hatten, erfährt man in dem vorliegenden, sorgsam gestalteten und sehr lesenswerten Band. Eine gute Gelegenheit, den kleinen, leuchtenden Screen wegzulegen und in die weite Welt des Lesens zu versinken.
Philipp von Zabern Verlag, Mainz 2017, 224 S., ISBN 978-3-805351000-3, 29,95 €.

Konrad Klek: Dein ist allein die Ehre. Johann Sebastian Bachs Kantaten erklärt. Band 3
Jeden Sonntag des Jahreskreises eine Kantate für Chor, Orgel und Orchester im Gottesdienst zu präsentieren ist eine enorme Herausforderung. Zugleich aber war dies ein Stück Normalität, zumindest für die herausgehobenen Kantorenstellen in der Barockzeit, so wie die Johann Sebastian Bachs, der als Thomaskantor in Leipzig wirkte. Von ihm sind drei Jahrgänge mit geistlichen Kantaten überliefert, die die gesamte Bandbreite der liturgischen Erfordernisse abdecken. Die Struktur dieser Kompositionen ist keineswegs einheitlich. Vielmehr lässt Bach nicht nur bei der Komposition, sondern auch bei der Textgestaltung seine Fantasie spielen, erprobt verschiedene Stile und verwendet neben biblischen auch Texte der geistlichen Literatur. Wann welche Kantate entstanden ist und uraufgeführt wurde, warum welche Texte ausgewählt wurden und in welchem ausdeutenden Verhältnis Text und Melodie zueinander stehen, erfährt der Leser nach zwei bereits edierten Bänden auch im dritten Band der Reihe der Erklärung der geistlichen Kantaten durch Konrad Klek. Der renommierte evangelische Theologe und Kirchenmusiker, der an der Friedrich Alexander Universität Erlangen Nürnberg im Fachbereich evangelische Theologie Kirchenmusik unterrichtet und neben zahlreichen Noteneditionen durch Publikationen zu Liturgik und Hymnologie hervortrat, erweist sich auch in diesem Band als profunder Kenner des Bach´schen Werkes. Seine Kantatenbände, so auch der dritte, in dem er den ab Ostern 1725 entstandenen Jahrgang bespricht, ist nicht nur eine Fundgrube musikalischer, sondern auch theologischer Details und wird so zu einem spirituellen Lesebuch, das dem Leser gemeinsam mit den Kantaten des Thomaskantors als Jahresbegleiter dienen kann.
Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2017, 451 S., ISBN 978-3-374-04095-7, 25,00 €.

Jürgen Hasse: Versunkene Seelen
Wenn die großen Flugzeug- oder Schiffsunglücke der vergangenen Jahre eins deutlich gezeigt haben, dann dies: Für die Angehörigen der so plötzlich aus dem Leben Gerissenen ist nichts so verheerend, als wenn die Verstorbenen nicht gefunden werden und sie keinen Ort zum Trauern haben. Die kulturhistorische und phänomenologische Studie von Jörg Hasse thematisiert dies anhand der Begräbnisplätze ertrunkener Seeleute des 19. Jahrhunderts. Hier geht es gewissermaßen um die andere Seite der Medaille, diejenigen nämlich, die die namenlosen Toten begraben und ihnen zwar einen physischen Platz geben, sie aber psychisch nicht verorten können. Hasse reflektiert den unzeitigen und unberechenbaren Tod, der jedem Seemann deutlich vor Augen stand, ebenso wie dessen Spiegelungen in der Kunst. Er eröffnet Einsichten in die Geschichte der Seefahrt und die gesellschaftliche Wahrnehmung derjenigen, die den unsicheren und gefährlichen Beruf des Seemanns ausübten. Er beschreibt den Umgang mit Strandleichen, die Begräbnisplätze der Namenlosen und deren Einbindung in die Landschaftsarchitektur. Das nachdenkliche und wichtige Buch vertieft das Wissen in einem Bereich, der in unserer Gesellschaft ungeachtet der Echtzeitübertragung von Unglücksfällen immer noch stark tabuisiert ist. Der, wie die Erfahrung lehrt, vermutlich vom Verlag gewählte Titel zeigt allerdings ein im Gegensatz zum durchdachten Inhalt stehendes Unverständnis der Thematik. Denn Seelen können nicht versinken. Das hätte gerade bei Herder noch im Bewusstsein sein sollen.
Herder Verlag, Freiburg 2016, 293 S., ISBN 978-3-451-34945-4, 29,99 €.

Alexander Rudow: Caesarenwahn. Herrscher, die sich für Götter hielten
Wenn man sich die gegenwärtigen Unwägbarkeiten amerikanischer Politik ansieht, fällt der Griff in die Grabbelkiste der Hobbypsychologen nur allzu leicht. Denn das, was man von Donald Trump liest, sieht und hört, kommt den wenigsten Menschen geistig gesund vor. Doch nicht nur er, auch die römischen Kaiser waren seltsame Herrscher. Und sie blieben nicht die einzigen. Nero zündete angeblich Rom und viele Christen an, Caligula machte ebenso angeblich ein Pferd zum Senator; wir alle wissen, was Hitler getan hat und Kim Yong Un schreibt seinem Volk neben vielem anderen vor, welche Haarschnitte es sich machen lassen darf. Das ist doch nicht normal, denken da viele und unterstellen schnell, die entsprechenden Herrscher seien geisteskrank gewesen oder hätten unter schwerwiegenden psychischen Defekten gelitten. Doch die „Fakten“ sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen, auch wenn die Literatur in Sachen „Welche Krankheit hätten Sie denn gern dem am wenigsten beliebten Herrscher attestiert“ ganze Regale füllt. Aber ist es jenseits der Entzauberung beliebter Legenden wie der vom senatorischen Pferd richtig? Oder handelt es sich bei diesen Gedankenspielen – denn von einer eindeutigen Diagnose kann man hier ja nicht sprechen – vielmehr um eine Ausweichbewegung, die wir nur deshalb machen, weil wir der Tatsache nicht in das hässliche Gesicht sehen mögen, dass einzelne Herrscher eben skrupellos oder schlicht böse waren? Alexander Rudow geht in seinem Buch dieser These nach und trägt Argumente dafür zusammen, dass man nicht immer zum Medizinbuch greifen muss, um zu verstehen, dass Menschen statt über andere zu herrschen besser eine andere Karriere eingeschlagen hätten. Ein nachdenkliches und lesenswertes Buch.
Regionalia Verlag, Rheinbach 2016, 158 S., ISBN 978-3-95540-192-4, 3,95 €.

Cornelius Hartz: Alles Mythos. 20 populäre Irrtümer über die alten Römer
Wenn das Gespräch am Stammtisch oder auf dem Wochenmarkt auf die alten Römer kommt, sind populäre Irrtümer nicht weit. Von den Gladiatoren, die stets bis zum Tod kämpften, über die systematischen Christenverfolgungen im Römischen Reich bis zu den angeketteten Sträflingen, die die Galeeren pfeilschnell über die Gewässer des Mittelmeeres flitzen ließen, reicht das Spektrum und die Facetten der wohlgepflegten Vorurteile sind geradezu unendlich. Doch was oft wiederholt wird, ist deshalb noch lange nicht richtig und darum ist es gut, dass Cornelius Hartz im Theiss Verlag ein überaus kenntnisreiches und amüsant zu lesendes Buch herausgebracht hat, in dem er 20 der populärsten Irrtümer über die alten Römer als das entlarvt, was sie in Wahrheit sind: allesamt Mythos. Wer dieses Buch liest, entdeckt auch bei einigermaßen guten Vorkenntnissen noch viel Neues und wird darüber hinaus noch sehr gut unterhalten. Kritisch anzumerken sind zwei Dinge: Mitunter übertreibt der Autor es ein wenig, beispielsweise wenn er unterstellt, Otto Normalbürger würde im Ernst glauben, dass die alten Römer, wie man es bei Asterix so amüsant nachschauen kann, ihre Nachrichten auf Marmorblöcke eingravierten. Und er pflegt eine erlesene Feindschaft gegenüber der Kirche, deren Vertretern er, wo immer es sich anbietet, wahrhaft unedle Motive unterstellt. Ein Punkt, an dem dies besonders augenfällig ist, ist das ansonsten ausgezeichnete Kapitel über die filmische Wiedergabe antiker und biblischer Stoffe. Während Hartz detailliert darüber berichtet, wie als Berater hinzugezogene Historiker sich vergeblich darum bemühten, die beliebtesten Irrtümer aus dem Dreh herauszuhalten, unterstellt er den Jesuiten, die Mel Gibsons Produktion „Die Passion Christi“ begleiteten, ohne nähere Überprüfung oder Beweise, dass sie wenig getan hätten, um dem Regisseur die zu Recht angekreideten Fehler auszureden. Das ist unter Ihrem Niveau, Herr Hartz.
Theiss Verlag, Darmstadt 2016, 190 S., ISBN 978-3-8062-3273-8, 19,95 €.

Arnulf Krause: Die Götter und Mythen der Germanen
Die germanische Mythologie gilt hierzulande vielen immer noch als relativ simple Zusammenstellung heidnischer Vorstellungen ohne System und mit wenig Verstand. Dass es sich bei den Erzählungen rund um die Weltschöpfung, den Schilderungen der Göttergeschlechter, der Naturgeister, Alben, Zwerge und Trolle jedoch um ein hochkomplexes Weltbild handelt, weist Arnulf Krause in seinem lesenswerten Band über die Götter und Mythen der Germanen nach. Detailliert beschreibt er nicht nur Götter und Wesen der niederen Mythologie, er widmet sich auch den Arten der Opfer, den Bestattungsbräuche und der religiösen Alltagskultur. Ein lesenswerter Band für alle, die an historischen Religionsformen interessiert sind.
Marix Wissen, Wiesbaden 2015, 251 S., ISBN 978-3-7374-0986-5, 6,00 €.

Bernhard Hubmann, Harald Fritz: Die Geschichte der Erde
Es ist nun 44,57 Milliarden Jahre her, dass ime Universum eine aus Staubteilchen, Siliziumverbindungen, Wasserstoff und noch einer ganzen Reihe anderer Stoffe zusammengesetzte Wolke instabil wurde und ihre Erscheinungsform nach und nach für immer veränderte. Unsere Erde, die aus diesem komplexen und bis heute nicht vollständig erklärbaren Prozess hervorging, ist einzigartig. Bis heute gibt es keinen anderen bekannten Planeten, der dieselben perfekten Voraussetzungen für die Entstehung von Leben aufweist. Grund genug, die Geschichte unseres Planeten einmal gründlich unter die Lupe zu nehmen. Und genau dies tun die Autoren akribisch und kenntnisreich, wenngleich nicht immer einfach lesbar. Aber die Mühe lohnt sich, denn wer sich mit der Entstehung der Erde, der Kontinente und der explodierenden Vielfalt des Lebens auf unserem blauen Planeten auseinandersetzt, lernt zu staunen und eine Menge dazu.
Marix Wissen, Wiesbaden 2015, 217 S., ISBN 978-3-7374-0985-8, 6,00 €.

Stephan Berry: Wahre Römer
Das Römische Reich ist ein Faszinosum. Schier unendliche Weiten und ein ganzes Kaleidoskop verschiedener Völker und noch unterschiedlicherer Persönlichkeiten umfasste es – und funktionierte dennoch. Was die Menschen so vieler Nationen zusammenband, wie sie ihre unbezweifelbare Individualität und ihre Bürgerpflichten miteinander in Einklang brachten, ist eine der bislang ungelösten Fragen der Menschheit. Im vorliegenden Buch wird sie anhand zahlreicher Lebensbeispiele amüsant und lehrreich beantwortet. Was Stephan Berry schreibt, hat einen hohen Unterhaltungswert und ist ein lesenswertes Stück Alltagsgeschichte aus dem gesamten zeitlichen Spektrum des Römischen Reiches. Karten der einzelnen Zeitabschnitte erleichtern die Einordnung des jeweils Erzählten und ganz nebenbei wird auch noch mit manch liebgewordenem Vorurteil aufgeräumt. Uneingeschränkte Leseempfehlung.
Nünnerich-Asmus Verlag, Mainz 2015, 143 S., ISBN 978-3-943904-95-6, 19,90 €.

Roland Weber: Denken statt Glauben. Wie das Christentum wirklich entstanden ist
Im 19. Jahrhundert hatte die sogenannte Realkritik, jene Bewegung unter Theologen, die davon überzeugt waren, dass die Evangelien eine Neuauflage antiker Mythen sind und jeder historischer Grundlage entbehren, ihre große Stunde. Und auch in unserer Zeit gibt es eine ganze Reihe von Menschen, die meinen, dass hier nicht alles mit rechten, sprich historischen Dingen zugegangen ist. Ob Hermann Detering, der die Paulusbriefe für eine Fälschung der Bewegung rund um Markion hält, oder jene englischsprachigen Theologen, die immer noch gerne auf den Realkritiker Arthus Drews zurückgreifen – immer wieder neu wirft das Neue Testament Fragen auf. Einer derjenigen, die sich die Mühe machen, den Spuren nachzugehen, ist Roland Weber. Seine Überzeugung: Das Christentum war vor allem für die römischen Herrscher von Nutzen, die sich durch diese neue Bewegung des lästigen Messiasglaubens der Juden entledigen konnten. Der in ihren Diensten stehende jüdische Chronist Flavius Josephus ist seiner Meinung nach der Autor der Jesusgeschichten. Webers Buch basiert auf den Ideen von Joseph Atwills Buch „Das Messias Rätsel“, er führt die dort bereits formulierten Gedanken jedoch weiter aus. Eine spannende Lektüre für alle, die den Spuren der Realkritiker bis in unsere Zeit folgen wollen.
BoD 2015, 402 S., ISBN978-3-739-24756-4, 19,80 €.

Reinhard Heydenreuter: Kriminalität in München. Verbrechen und Strafen im alten München (1180–1800)
Wenn wir heute darüber klagen, dass die Brutalität auf unseren Straßen zunimmt und zugleich der Konsum von Gewaltfilmen – sei es in homöopathischen Dosen des inzwischen allabendlich auf mehreren Sendern zu sehenden Krimis oder härterer Versionen in den unübersehbaren Weiten des Netzes –, ist das eine schlimme, aber alltägliche Angelegenheit. Früher war alles besser, denkt da mancher. Aber das sind leider Fakenews. Denn auch in der Vergangenheit ging es auf unseren Straßen und Plätzen ziemlich zur Sache. Egal, ob da bei Nacht und Nebel jemand ausgeplündert, zusammengeschlagen oder unter dem Jubel der zu diesem festlichen Ereignis zusammengeströmten Massen einen Kopf kürzer gemacht wurde – Verbrechen hatten auch in der Vergangenheit ihren festen Platz im öffentlichen Bewusstsein. Zum Beispiel in München, dessen Verbrechen in dem kleinen, aber feinen Band entfaltet werden. Der Autor gibt einen Überblick darüber, was in den Jahren 1180 bis 1800 so alles geschah und wie die Obrigkeit darauf reagierte. Das ist spannend zu lesen und weitet den Blick dafür, dass unsere Zeit nicht die einzige ist, bei der man am besten die Augen offenhält.
Pustet Verlag, Regensburg 2014, 117 S., ISBN 978-3-7917-2608-3, 12,95 €.

Martin Icks: Elagabal. Leben und Vermächtnis von Roms Priesterkaiser
Elagabal genießt nicht gerade das, was man hierzulande einen guten Ruf nennt. Ganz im Gegenteil. Denn der Jugendliche, der als orientalischer Priester im zarten Alter von 14 Jahren an die Spitze des römischen Imperiums geriet und dort bis zu seinem gewaltsamen Tod vier Jahre verblieb, gilt als berüchtigtster Vertreter seiner Art. Aber wird dies seinem Wirken gerecht oder gibt es außer dem herumhurenden Orgiasten noch weitere Facetten seines Lebens? Martin Icks, dessen Forschungsschwerpunkte Selbstdarstellung und literarische Präsentation von römischen Kaisern sind, hat sich auf Spurensuche begeben. Die spannenden Ergebnisse können in der vorliegenden, empfehlenswerten Biografie nachgelesen werden.
Philipp von Zabern Verlag, Mainz 2014, 231 S., ISBN 978-3-8053-4760-0, 24,95 €.

André Schell: Die vergessenen Götter. Ein visueller Streifzug durch die germanische Mythologie
André Schell ist überzeugt: Die germanischen Götter sind im deutschen Bildungssystem ebenso unterrepräsentiert wie im öffentlichen Bewusstsein. Das ist schade, denn natürlich ist es spannend, sich mit den Göttern auseinanderzusetzen, die in unserem Land vor vielen Hunderten von Jahren verehrt worden und die für einige heute wieder die ersten Ansprechpartner in Sachen Religion sind. Um sich ihnen auf mehreren Ebenen annähern zu können, vermittelt Schell nicht nur kurze Hintergrundinformationen zu den Göttern, sondern kombiniert sie mit aussagekräftigen Bildern, die den mythologischen Hintergrund lebendig werden lassen.
Wagner Verlag, Gelnhausen 2012, 80 S., ISBN 978-3-86279-097-5, 1990 €.

Kristina Domanski, Margit Krenn: Liebesleid und Ritterspiel. Mittelalterliche Bilder erzählen große Geschichten
Unsere Zeit scheint bilderzentrierter als jede Epoche zuvor. Dennoch können wir in Sachen Bild vom Mittelalter noch eine Menge lernen. Denn in den mittelalterlichen Handschriften, auf Häuserwänden oder in Kirchen spielte Bebilderung eine ebenso große Rolle wie heutzutage bei uns. Es galt zum einen, denjenigen Geschichten zu erzählen, die nicht lesen konnten, zum anderen, Deutungen zu vermitteln, die auf den ersten Blick hängen bleiben. Dabei ging es keineswegs nur, wie es im Titel heißt, um Liebesleid und Ritterspiel, sondern auch um Heilsgeschichte und Wahrheit, heldenhaftes Verhalten und wegweisende Vorbilder, die man aus der Antike in die neue Zeit gerettet hatte. Ein lesenswertes, wie zu erwarten sehr schön bebildertes Buch.
Primus Verlag, Darmstadt 2012, 143 S., ISBN 978-3-534-24040-1, 1995 €.

Heike Talkenberger: Gauner, Dirnen, Revolutionäre
Mit dem Verbrechen und den Verbrechern war es im 19. Jahrhundert so eine Sache. Denn mangels noch geglaubter Erklärungen von Schuld und Sünde suchte man nach anderen Begründungen dafür, warum jemand straffällig wurde und kam auf die erstaunlichsten Lösungen für dieses Problem. Beispielsweise machte man die Physiognomie und die Kopfform dafür verantwortlich, ob jemand auf die schiefe Bahn geriet. Aber was dachten die Betroffenen selbst? Wie sahen sie ihren Weg in die Straffälligkeit, ihren Aufenthalt im Gefängnis und die Schwierigkeiten, nach Verbüßung der mehr oder weniger gerechten Strafe wieder ins normale Leben zurückzufinden? Die Antworten gibt Heike Talkenberger in ihrem lesenswerten Buch. Sie zeichnet die Lebenswege von Menschen wie Joseph Küper aus der Pfalz, Luer Meyer aus Bremen Oberneuland und Magdalena Z. aus Emmental nach, untersucht kriminelle Milieus und gibt durch Erklärungen Betroffener, was genau sie zu Verbrechern machte, Einblick in deren Selbstwahrnehmung. Der Leser erfährt zudem Wissenswertes aus dem Alltag der Strafverfolger, erhält Kenntnis über die Reform des Strafvollzugs, den Alltag hinter Gittern und die mehr oder weniger erfolgreichen Versuche der Resozialisierung. Ein spannendes Stück Zeit- und Alltagsgeschichte, das man sich nicht entgehen lassen sollte.
Primus Verlag, Darmstadt 2011, 191 S., ISBN 978-3-89678-357-8, 12,95 €.

Umberto Pappalardo: Pompeji. Leben am Vulkan
Ob Queen Elizabeth II., Bill Clinton oder Wolfgang Amadeus Mozart – den Besuch in Pompeji lässt sich niemand entgehen, der nach Italien reist. Denn die Stadt, die mitten aus dem Leben gerissen wurde und deren Überreste gerade deshalb so wirken, als sei der Vesuv gestern erst ausgebrochen, üben eine ungebrochene Faszination aus. Wie lebt es sich in der Nähe einer solchen Zeitbombe damals und heute, wo liegen die Ursprünge der Stadt und wie ging es damals zu, als die ersten Kennzeichen eines nahenden Ausbruches wahrgenommen wurden. Und wie verlief die Katastrophe selbst? All dies und noch viel mehr erzählt der schön gestaltete, farbenreich und ausdrucksvoll bebilderte Band von Umberto Pappalardo.
Philipp von Zabern Verlag, Mainz 2010, 168 S., ISBN 978-3-80534240-7, 22,00 €.

Arnold Esch: Wahre Geschichten aus dem Mittelalter. Kleine Schicksale selbst erzählt in Schreiben an den Papst
Das Konzept von Arnold Esch ist unglaublich spannend und voller Neugier greift man nach diesem Buch. Denn was es zu enthalten verspricht, nämlich Briefe aus dem alltäglichen Leben, in denen Menschen Trost und Rat suchen und von ihren alltäglichen Verstrickungen, einem Streit im Wirtshaus, Mord, Totschlag, der zerbrochenen ersten Liebe oder ihrer schlimmen Jugend erzählen und das auch noch dem Papst, dem obersten Vertreter der Kirche, könnte wirklich einen tiefen Einblick ins Alltagsleben ermöglichen. Umso enttäuschter kämpft man sich deshalb Seite um Seite durch die nach Themen geordneten Paraphrasen von Geschichten, die man doch unbedingt im Original lesen wollte. Das Ergebnis ist ungefähr so, als würde man zum Essen eingeladen und anstelle des Mahles, dessen Beschreibung einem das Wasser bereits im Munde zusammenlaufen ließ, erhält man nun einen Vortrag über das im Restaurant angebotene Nahrungsspektrum. Fazit: Obwohl das Buch durchaus informativ ist, führt das Verhältnis zwischen Klappentext und Inhalt zwangsläufig zu Enttäuschung des auf Anderes eingestellten Lesers.
C.H. Beck Verlag, München 2010, 223 S., ISBN 978-3-406-60133-0, 22,95 €.

Corinna Hesse: Das Schumann Hörbuch. Eine klingende Biografie
50 Musikbeispiele, die in einem sorgsam ausgewählten Crossover einen eindrucksvollen Überblick über das Schaffen Robert Schumanns geben, Briefe des genialen, aber psychisch labilen Komponisten und seiner Zeitgenossen und ein bewegender Dialog zwischen Schumann und seiner Frau Clara, der er zunächst die Karriere untersagte und die dann als gefeierte Pianistin die Familie ernährte – all das ist auf der vorliegenden, hervorragend recherchierten und sensitiv kombinierten CD aus dem Silberfuchs Verlag zu einer klingenden Biografie verwoben worden. Dietmar Mues als Robert Schumann und Anne Moll als seine Frau Clara lassen die Protagonisten fast unheimlich lebendig werden. Das wie immer ansprechend bebilderte und mit zeitgenössischen Quellentexten sowie einer Zeitleiste versehene Cover macht dieses Hörbuch zu einem must have für alle Musikfans.
Silberfuchs Verlag, Tüschow 2010, 80 Min., ISBN 978-3-940665-171, 24,00 €.

Hermine Koller: Drittgeborene Kinder Benedikts. Geschichte und Gegenwart der Benediktineroblaten
Seit es Klöster gibt, gibt es auch Menschen, die, fasziniert von der klösterlichen Lebensform, nach einer Verbindung zwischen geistlichem und weltlichem Leben suchen. Sie wohnen weiterhin allein oder in ihren Familien, gehen ihren Berufen nach, stehen aber gleichwohl in einer festen Beziehung zu einem Kloster. Der Geschichte dieser in der benediktinischen Tradition Oblaten genannten Menschen geht Hermine Koller in ihrem kenntnisreichen, informativen und lesenswerten Buch nach. Sie beschreibt die ersten Oblaten, die schon der Ordensgründer Benedikt in sein Kloster aufnahm, und zeichnet die Entwicklung des Oblateninstituts von den ersten Anfängen bis in die Gegenwart nach. Die ersten Kapitel informieren umfassend über Benedikt von Nursia, sein historisches Umfeld und die wichtigsten Begriffe des Mönchtums, ein weiteres Kapitel ist der Geschichte des benediktinischen Ordenslebens gewidmet. Im Hinblick auf die Oblaten werden die unterschiedlichen Traditionen der Kinderoblaten, die in Klöstern erzogen wurden, und der Weltoblaten, die als Christen in ihrem jeweiligen Umfeld nach der Regel Benedikts leben, dargestellt. Die Frage der rechtlichen Verbindungen der Oblaten mit ihren Klöstern wird ebenso thematisiert wie die der geistlichen Begleitung durch das Kloster, der täglichen Lebenspraxis oder der Formen der Verbundenheit mit dem Kloster, die sich neben persönlichem Kontakt und regelmäßigen Besuchen im Tragen bestimmter Gewänder oder Medaillen konkretisiert. Zahlreiche bislang nicht edierte Quellentexte illustrieren die Forschungsergebnisse der Autorin und geben lebendige Einblicke in eine vielfältige und noch heute aktuelle Lebensform. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Personenregister am Ende des Buches erleichtern die Auffindung wichtiger Persönlichkeiten und ermöglichen weitere Studien. „Drittgeborene Kinder Benedikts“ ist ein lesenswertes, wichtiges Buch, informiert es doch erstmals umfassend über eine spannende Verbindung zwischen weltlichem und geistlichem Leben und ihre Geschichte.
Eos Verlag, St. Ottilien 2009, 300 S., ISBN 978-3-8306-7358-3, 28,00 €.

Hans Georg Boehm: Kennzeichen und Attribute der Heiligen auf Siegel des Spätmittelalters
Wer sich mit den Attributen der Heiligen auskennt, hat definitiv mehr von seinen Streifzügen durch mittelalterliche Städte und ihre Kirchen. Denn der Bratrost in der Hand deutet ebenso unfehlbar auf den heiligen Laurentius hin wie das Töpfchen auf den heiligen Veit, der in nord- und hochdeutschen Gefilden auch unter dem Namen Vitus bekannt ist und sein Accessoire der Tatsache verdankt, dass er in siedendem Öl gegart und so zum Patron der Bettnässer wurde. Das vorliegende 26. Heft der Schriftenreihe der Deutschorden-Compagnie informiert nicht nur über diese beiden, sondern noch 53 weitere Heilige, die mitsamt ihren Attributen auf Siegeln des Mittelalters dargestellt wurden. Jedem Heiligen ist eine Seite mit Kurzbiografie,  Abbildung der Person und eines Siegels gewidmet. Ziel des Bandes ist, den Schatz dieser Symbole wieder neu verständlich zu machen. Ein kleines, aber feines Nachschlagewerk zum Thema Siegelkunde und Heilige.
Historische Deutschorden-Compagnie e.V., Lauda-Königshofen 2009, 61 S.

Horst Fuhrmann: Überall ist Mittelalter. Von der Gegenwart einer vergangenen Zeit
Die Gegenwart des Mittelalters ist auch für diejenigen immer wieder eine Überraschung, die sich schon lange mit dieser faszinierenden Zeit beschäftigen. Stärker, als wir alle vermuten, sind wir mit den Wurzeln der Vergangenheit verbunden. Wer Lust hat, im Garten der Verbindungen zu lustwandeln, ist bei Horst Fuhrmann an der richtigen Adresse. Kompetent und verständlich erzählt er von Begrüßungs- und Abschiedsritualen, Fälschungen im Dienste der Wahrheit, die arme edle Pfarrersfrau, den guten und den schlimmen Tod. All dies vermittelt uns eine Sicht des Mittelalters, die, transparent gemacht in ihren Wirkungen auf die Gegenwart, uns ebendiese besser verstehen lässt. Diesem Ziel dienen auch die Ausflüge in die Rezeption des Mittelalters durch Umberto Eco, Wilhelm Kammeier und Ernst Kantorowitz, die mit ironischer Distanz betrachtet dennoch dem jeweiligen literarischen Genuss gerecht werden. Fuhrmanns Buch ist sowohl für diejenigen ein Gewinn, die noch gar nichts über das Mittelalter gelesen haben, als auch für solche, die vor lauter Büchern das Regal nicht mehr sehen. Es vermittelt den Durchblick durch die Zeit in die Zeit, die uns aus guten Gründen besonders am Herzen liegt.
C.H. Beck Verlag, München 2003, 328 S., ISBN 3-406-47613-9, 12,90 €.

Hans-Georg Boehm: 1300 Jahre Würzburg. Zeichen der Geschichte. Bilder und Siegel der Bischöfe von Würzburg. Sigillum Herbipolensis
Die Auflistung und Abbildung der Siegel der Würzburger Bischöfe, die das Thema des 23. Heftes der Schriftenreihe „Wissenschaftliche Vereinigung für den Deutschen Orden e. V.“ ist, gibt einen Überblick über die von Bischof Heinrich I. bis zu Bischof Franz Ludwig von Erthal gewählten Siegel und umfasst damit die Zeit von 995 bis 1795. Jedem Siegel ist eine Kurzbiografie des Siegelträgers zugeordnet, am Beginn des Heftes steht eine Einführung in die Siegelkunde.
Historische Deutschorden-Compagnie e.V., Lauda-Königshofen 2003, 57 S.

Bernhard Demel: Siegel des Deutschen Ordens von Akkon bis Mergentheim. Schriftenreihe Wissenschaftliche Vereinigung für den Deutschen Orden e. V., Historische Deutschorden-Compagnie zu Mergentheim 1700 e. V., Heft 21/22
Siegel sind komprimierte Darstellungen von Persönlichkeiten oder Organisationen. Sie sagen eine Menge darüber aus, wie man sich versteht und in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden möchte. Deshalb ist der vorliegende Band der Deutschorden-Compagnie ein informatives Bilderlexikon, das zum Stöbern in der Geschichte des Deutschen Ordens einlädt. Die einzelnen, durch im Laufe der jahrhundertealten Geschichte des Ordens verwendeten Siegel vertretenen Balleien des Ordens werden jeweils kurz vorgestellt, am Ende des Bandes findet sich ein Lexikon der Kommenden.
Historische Deutschorden-Compagnie e.V., Lauda-Königshofen 2002, 72 S.

Das Marienbild auf Siegeln im Wandel der Zeit. Schriftenreihe Wissenschaftliche Vereinigung für den Deutschen Orden e. V.; Historische Deutschorden-Compagnie zu Mergentheim 1700 e. V., Heft 19/20
„Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt“ pflegte Novalis zu dichten. Tatsächlich gibt es eine Unzahl von Marienabbildungen in Form von Statuen, Tafelbildern, Miniaturen und eben auch Siegeln. Letztere sind nebst dem Wandel, den sie im Laufe der Zeit erfuhren, Thema des vorliegenden Bandes. Präsentiert werden Siegel von Klöstern, Stiften, Konventen, Abteien, Universitäten, Städten, Bistümern und Gemeinden. Der Bildband zeigt, wie verbreitet die Marienverehrung im Mittelalter war und welche Vielfalt inhaltlichen Facettenreichtums sie entfaltete.
Historische Deutschorden-Compagnie e.V., Lauda-Königshofen 2001, 60 S.

Verschiedenes zum Jakobsweg
Santiago ist ein Wallfahrtsort, der wie kein anderer den Weg zum Ziel gemacht hat. In all den kaum noch zählbaren Büchern zum Thema wird genau dies betont. Es ist der Weg, der die entscheidenden Erfahrungen vermittelt. Immer, wenn der 25. Juli, der Festtag des heiligen Jakobus, auf einen Sonntag fällt, wird in Santiago ein heiliges Jahr begangen. Grob gesichtet kann man die Literatur zum Jakobsweg in drei Kategorien einteilen: Outdoorhandbücher, Reisebeschreibungen und historisch informative Literatur. Eine gute Auswahl von Ourdoorhandbüchern bietet der Conrad Stein Verlag. Gegliedert in Streckenabschnitte findet man hier von Karten über Adressen und Reisetipps alles, was man braucht, wenn man sich gut informiert auf den Weg machen will. Im selben Verlag schlägt Karin Adams mit ihrem Buch „Auf dem Weg zu Jakob“ eine Brücke zu den Reisetagebüchern. Adams beschreibt überzeugend die Schwierigkeiten, denen sie sich als wenig trainierte Flachländerin gegenübersieht, die sich vorgenommen hat, den Weg mit dem Rad zu bewältigen, und beschreibt unprätentiös, wie sie zwischen Streckenbewältigung mit dem Mietwagen und Fahrradtouren ihren eigenen Weg findet. Eine Empfehlung für alle, die´s nicht so religiös mögen. Das genaue Gegenteil hierzu findet sich in Brigitte Uhde Stahls „In Santiago sehen wir uns wieder“. Uhde-Stahls Jakobsweg ist die Beschreibung einer inneren Erfahrung, poetisch dicht, literarisch schön und eine echte Alternative für alle, die wohl auf innere Erfahrung, nicht aber auf Coelho stehen. Entbehrlich finde ich dagegen Inka Ehrbars Jakobswegschilderungen. In stetem Wechsel lässt sie in ihrem Buch sich und ihre Hündin zu Wort kommen. Nach Thomas Manns Reflektionen über Herr und Hund sollte man derartiges entweder besser machen oder bleiben lassen. Mit Hund und auch Verstand ist Peter Lindenthal nach Santiago unterwegs gewesen. Seine Reisebeschreibung ist eine gelungene Mischung aus Nachdenklichkeit, schöner Landschaft und witzigen Details. Mein absoluter Favorit unter den Reisebeschreibungen ist Ulrich Hagenmeyers „Das Ziel ist der Weg“. Selbst wenn das Buch nicht voll wäre mit wunderschönen Bildern, würde ich es immer noch für das Beste halten. Es bietet in stetem Wechsel Nachdenkliches über das Pilgern, Informatives über die Streckenführung und Einblicke in die Innenwelt des Pilgers Hagenmeyer. Dabei zeigt der Autor neben reichem Informationsgehalt und einem sprachlichen Niveau, das selten anzutreffen und zugleich unmittelbar verständlich ist, eine tiefe Sensibilität für die Vorgänge der inneren Wandlung, ohne jemals in die Gefahr zu geraten, kitschig oder voyeuristisch zu sein. Peter Müllers „Wer aufbricht, kommt auch heim“ ist ein Jakobswegklassiker. Er enthält eine gute Zusammenfassung über die Geschichte und bietet Texte zur Wegbegleitung an. In all seiner Skurrilität sympathisch ist die ausführliche Reisebeschreibung von Hans Aebli „Santiago, Santiago“, auch wenn der historische Aspekt sich vielleicht vor allem darin kund tut, dass man sich beim Lesen nicht vorstellen kann, den Weg jemals genauso zu erleben. Kurt Benesch bietet in „Santiago de Compostela“ Geschichte pur mit vielen Bildern und Einzelinformationen zu besonderen Kirchen und/oder Bauwerken am Rande des Jakobsweges. Ulrich Wegner erweitert den historischen Aspekt in „Der Jakobsweg“ um kulinarische Tipps, während Andreas Drouve sich in seinem Buch „Geheimnisse am Jakobsweg“ auf die Legenden spezialisiert hat. Wer hier nicht immer wieder verzweifelt suchen will, findet bei Drouve das passende Kompendium. Eine wunderbare Fundgrube für die Geschichte der Jakobswegpilger ist das Buch von Perre Barret und Jean-Noel Gurgand „Auf dem Weg nach Santiago“. Die Autoren erzählen die Erlebnisse von Pilgern vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Dieses Buch ist ein uneingeschränkter Genuss. Spannend und äußerst detailreich ist Rolf Leglers „Sternenstraße und Pilgerweg – der Jakobs-Kult von Santiago de Compostela. Wahrheit oder Fälschung.“ Nur schade, dass in dem Buch kaum von Santiago die Rede ist. Monika Hauf empfiehlt sich in ihrem Buch „Der Jakobsweg“ als kritische Theologin. Auch sie bietet viele lesenswerte Details und hat eine äußerst lebendige kombinatorische Fantasie. Leider erweist sich ihre kritische Kompetenz als getrübt durch ihre offenbar schlechten Erfahrungen mit dem Bodenpersonal der gegenwärtigen Kirche. Das kann man verstehen, doch hätte es dem Buch gutgetan, wenn es weniger offensichtlich wäre. Alles in allem kann man sagen: Das heilige Jahr hat 2003/2004 eine Menge Bücher hervorgebracht und darunter einige wirkliche Perlen.
Karin Adams: Auf dem Weg zu Jakob. Fernweh Schmöker, Conrad Stein 2003, 157 S., 9,90 €.
Brigitte Uhde-Stahl: In Santiago sehen wir uns wieder. Der Jakobsweg als innere Erfahrung, Patmos 2004, 188 S., 12,90 €.
Inka Ehrbar: Der Jakobsweg, Ferber 4/2003, 114 S., 11,00 €.
Peter Lindenthal: Nach Santiago – wohin sonst! Tyrolia 2003, 160 S., 14,90 €.
Ulrich Hagenmeyer: Das Ziel ist der Weg, Kreuz 2003, 144 S., 24,90 €.
Peter Müller: Wer aufbricht, kommt auch heim, Eschbach 4/2004, 144 S., 17,80 €.
Hans Aebli: Santiago, Santiago, Klett Cotta 8/2004, 253 S., 22,00 €.
Kurt Benesch: Santiago de Compostela, Herder 2004, 199 S., 14,90 €.
Ulrich Wegner: Der Jakobsweg, Herder 2003, 264 S., 29,90 €.
Andreas Drouve: Geheimnisse am Jakobsweg. Wundersame Legenden und mysteriöse Geschichten, Tyrolia 2004, 128 S.
Pierre Barret, Jean-Noel Gurgand: Auf dem Weg nach Santiago, Herder 2004, 320 S., 14,90 €.
Rolf Legler: Sternenstraße und Pilgerweg, Bastei Lübbe 1999, 415 S., 8,45 €.
Monika Hauf: Der Jakobsweg, Langen Müller 2003, 272 S., 19,90 €.

 

Rezensentin dieser Lesetipps: Dr. Barbara Stühlmeyer